Rahab und Jericho

Rahab und Jericho

January 18, 202510 min read

1 Die Israeliten lagerten zu dieser Zeit in der Gegend von Schittim. Von dort schickte Josua, der Sohn von Nun, heimlich zwei Männer los. Sie sollten das vor ihnen liegende Land auskundschaften, besonders die Stadt Jericho. Die beiden machten sich auf den Weg und erreichten gegen Abend die Stadt. Auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht kamen sie in das Haus einer Prostituierten namens Rahab.

2 Kurz darauf erhielt der König von Jericho die Nachricht: »Heute Abend sind israelitische Männer eingetroffen, die unser Land erkunden sollen. Sie halten sich bei Rahab auf.« 3 Der König schickte sofort Soldaten zu Rahab. Sie befahlen ihr: »Bring die Männer heraus! Sie wollen unser Land ausspionieren.«

4 Rahab aber hatte die beiden Israeliten versteckt und stellte sich ahnungslos: »Ja, diese Männer sind bei mir gewesen. Ich wusste aber nicht, wo sie herkamen. 5 Sie brachen wieder auf, als es dunkel wurde und das Stadttor geschlossen werden sollte. Ich kann nicht sagen, wohin sie gegangen sind. Wenn ihr ihnen schnell nachlauft, holt ihr sie bestimmt ein.« 6 Rahab hatte die Israeliten auf ihr Flachdach gebracht und unter Flachsstängeln versteckt, die dort aufgeschichtet waren.

7 Die Soldaten des Königs nahmen die Verfolgung auf und eilten in Richtung des Jordanübergangs davon. Unmittelbar hinter ihnen wurde das Stadttor geschlossen.

8 Bevor die beiden Israeliten sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen auf das Dach 9 und sagte: »Ich weiß, dass der Herr eurem Volk dieses Land geben wird. Wir haben große Angst. Jeder hier zittert vor euch. 10 Wir haben gehört, dass der Herr euch einen Weg durch das Schilfmeer gebahnt hat, als ihr aus Ägypten gekommen seid. Wir wissen auch, was ihr mit den Amoritern und ihren Königen Sihon und Og auf der anderen Jordanseite gemacht habt: Ihr habt sie völlig vernichtet. 11 Als wir das hörten, waren wir vor Angst wie gelähmt. Jeder von uns hat den Mut verloren. Der Herr, euer Gott, ist der wahre Gott oben im Himmel und hier unten auf der Erde. 12 Deshalb flehe ich euch an: Schwört mir jetzt beim Herrn, dass ihr meine Familie und mich verschont, denn ich habe auch euch das Leben gerettet. Bitte gebt mir einen Beweis dafür, dass ich euch vertrauen kann. 13 Lasst meine Eltern und Geschwister und alle ihre Angehörigen am Leben. Rettet uns vor dem Tod!«

14 Die Männer antworteten ihr: »Wenn ihr uns nicht verratet, stehen wir mit unserem Leben dafür ein, dass euch nichts getan wird. Wenn der Herr uns dieses Land gibt, werden wir unser Versprechen einlösen und euch verschonen.«

15 Rahabs Haus lag direkt an der Stadtmauer. So konnte sie die Männer durch eines ihrer Fenster mit einem Seil hinunterlassen, um ihnen zur Flucht zu verhelfen. 16 Sie riet ihnen: »Lauft erst ins Bergland, damit euch die Verfolger nicht finden! Versteckt euch dort drei Tage, bis sie zurückgekehrt sind. Danach geht, wohin ihr wollt.«

17 Die beiden Männer sagten zu ihr: »Der Eid, den wir dir gegeben haben, bindet uns nur unter diesen Bedingungen: 18 Wenn unsere Soldaten hier eintreffen, musst du das rote Seil, an dem du uns jetzt hinablässt, an dein Fenster binden. Und deine Eltern, deine Geschwister und alle Verwandten müssen hier bei dir im Haus sein. 19 Jeder, der nach draußen geht, ist selbst verantwortlich für seinen Tod. Wer aber bei dir im Haus bleibt und trotzdem angegriffen wird, für den stehen wir mit unserem Leben ein. 20 Solltest du uns aber verraten, ist unser Eid ungültig!« 21 »Einverstanden«, antwortete Rahab. Dann half sie ihnen, ins Freie zu gelangen. Als sie fort waren, band Rahab das rote Seil ans Fenster.

22 Die beiden Männer liefen ins Bergland und versteckten sich dort drei Tage. Ihre Verfolger suchten die ganze Strecke bis zum Jordan ab, fanden aber niemanden und kehrten schließlich nach Jericho zurück. 23 Da verließen die beiden Israeliten ihr Versteck, stiegen von den Bergen herab und durchquerten die Jordan-Ebene. Als sie wieder bei Josua waren, berichteten sie ihm, was sie erlebt hatten. 24 »Der Herr gibt das ganze Land in unsere Gewalt«, erklärten sie, »alle Menschen, die dort leben, haben große Angst vor uns.«

Die auf dieser Webseite verwendeten Bibeltexte sind zitiert aus der Bibelübersetzung "Hoffnung für alle", © 2015 Biblica, Inc. Alle Rechte vorbehalten.



Zusammenhänge:

Nachdem Mose seine Landsleute in Ägypten zum Auszug aufgerufen hatte, erlebten sie den Widerstand des Pharaos. Zehn Plagen mussten über Ägypten ergehen, bis er bereit war, die Israeliten ziehen zu lassen. Zuletzt starben alle Erstgeburten ausser jene der Israeliten, die ihre Türpfosten mit Blut des Passalamms bestrichen hatten - daran knüpft unser Osterfest an. Gott bewirkte dann, dass sich die Wasser des Roten Meeres teilten, so dass die Israeliten hindurchziehen konnten. Die ägyptischen Verfolger aber ertranken darin. Dann folgte die 40-jährige Wüstenwanderung des Volkes, auf der sie viele Wunder Gottes erlebten, besonders eindrücklich seine Mitteilung der Zehn Gebote am Sinai. Sie bauten ein tragbares Heiligtum, die Stiftshütte mit der Bundeslade. Westlich des Jordans besiegten sie die Amoriter und überschritten dann den Fluss um das verheissene Land Kanaan einzunehmen.

Die Bibel bezeugt, dass Gott den Völkern Land zuteilt (5. Mose 32,8), dass er es ist, der sie gross werden lässt oder auch sie vertreibt (Hiob 12,23). Das kann geschehen aufgrund von Bosheit und Dekadenz der Leute. 1. Mose 15,16 sagt z.B, es werde 400 Jahre dauern bis zur Landnahme der Israeliten, weil „die Missetat der Amoriter noch nicht voll“ sei - so lange sah Gott geduldig zu und es gab Möglichkeiten zur Umkehr (vgl. Ninive im Buch Jona). Schliesslich aber war bei den Bewohnern Kanaans „gnueg Heu dunne“: „Der Herr vertreibt diese Völker um ihres gottlosen Treibens willen“ (5. Mose 9,4). Sie waren „Ungehorsame, die sich Gottes Willen widersetzten“ (Hebräer 11,31) - u.a. durch Geisterbeschwörerei, Magie und grauenhafte Kinderverbrennungen bei Götzenopfern. Das wollte Gott aufhalten: „Um solcher Gräuel willen vertreibt der Herr, dein Gott, die Völker vor dir“, heisst es in 5. Mose 18,12. Dasselbe erlebten später aber auch die Israeliten: Als sie von Gott abfielen, wurden sie ins babylonische Exil vertrieben.

Mauern JerichosRahab

Auf dem Weg ins verheissene Land gelangten die Israeliten unter der Führung von Moses’ Nachfolger Josua zur befestigten Grenzstadt Jericho. Zwei Spione sollten die Anlagen und die strategische Situation auskundschaften. In Jericho wählten sie ein Bordell als Unterkunft, wohl weil dort am besten für Diskretion gesorgt war. Trotzdem fielen sie den Behörden auf und man wollte sie verhaften. Rahab, eine Prostituierte, hatte wie viele vom wunderhaften Auszug der Israeliten aus Ägypten und von ihren seitherigen Siegen gehört. Sie gewann die Überzeugung, dass hier der wahre Gott im Spiel sei: „Euer Gott ist der wahre Gott oben im Himmel und hier unten auf der Erde“ (V. 11) - ein sehr „praktischer“ Gott also, nicht nur eine philosophische Idee. Und dass dieser „eurem Volk dieses Land geben wird“ (V. 9). Diesem Volk und diesem Gott wollte Rahab sich anvertrauen, wie z.B. auch die Ausländerin Ruth (1,16): „Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“

Rahab verstecktRahab abseilen

Obschon Lügen ethisch vertretbar ist, wenn es Leben rettet, scheint es Rahab fast gewohnheitsmässig über die Lippen zu kommen gemäss dem Sprichwort „Buhlen, Lügen und Stehlen hängen aneinander“. Sie lügt wie gedruckt und auch gekonnt-raffiniert. Zuerst gibt sie vertrauenserweckend zu, den Kundschaftern begegnet zu sein. Und dann führt sie die Polizisten auf eine falsche Fährte, auf die diese hereinfallen. Mit ihrer Solidarität mit den Spionen setzt Rahab ihr Leben aufs Spiel. Darin äussert sich ihr Glaube an Gottes Beistand. Für ihren Glauben (nicht für ihre Moral) wird sie in Hebräer 11,31 gelobt. Entsprechend sagte Jesus: „Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.“ Sie wird gerettet, ein rotes Seil im Fenster war das Zeichen für die Eroberer, sie und ihre Angehörigen zu verschonen. Das erinnert ans Passa-Ereignis und daran dass Jesus sein Blut zur Vergebung für uns vergoss, auch für Rahab, die als vollgültiges Volksmitglied aufgenommen wurde „sie wohnte unter den Israeliten“ (6,25) und mit ihrem Mann Salmon Boas zeugte, den Ur-Urgrossvater des Königs David, wodurch sie in den Heils-Stammbaum Jesu einbezogen ist.

Die Kundschafter konnten Josua berichten, dass ihre Feinde vollends entmutigt waren. Das stärkte die Kampfmoral der Israeliten.



Josua 6,1-25 Jericho wird eingenommen

1 In Jericho hatte man aus Angst vor den Israeliten sämtliche Tore fest verriegelt. Niemand kam mehr heraus oder hinein. 2 Da sprach der Herr zu Josua: »Ihr werdet sehen: Ich gebe die Stadt, ihren König und seine Soldaten in eure Gewalt. 3 Sechs Tage lang sollt ihr jeden Tag einmal mit allen kampffähigen Männern um die Stadt ziehen. 4 Nehmt die Bundeslade mit! Lasst sieben Priester mit Widderhörnern in der Hand vor ihr hergehen! Am siebten Tag sollt ihr siebenmal um die Stadt ziehen, und die Priester sollen die Hörner blasen. 5 Wenn der langgezogene Signalton des Widderhorns ertönt, so stimmt ein lautes Kriegsgeschrei an! Dann wird die Stadtmauer einstürzen, und ihr könnt von allen Seiten nach Jericho eindringen.«...

8-9 Nachdem Josua seine Anweisungen gegeben hatte, stießen die Priester in die Hörner, und alle brachen auf. An der Spitze des Zuges marschierte die ausgewählte Vorhut. Hinter ihr gingen die sieben Priester, die nun unablässig ihre Hörner bliesen, und die anderen Priester mit der Bundeslade. Den Schluss bildete das übrige Heer. 10 Zuvor hatte Josua angeordnet: »Macht keinen Lärm! Verhaltet euch ganz still, bis ich euch befehle, ein lautes Kriegsgeschrei anzustimmen. Dann aber schreit, so laut ihr könnt!« 11 So zogen sie mit der Bundeslade einmal um Jericho herum und kehrten anschließend wieder in ihr Lager zurück, wo sie übernachteten.

12 Früh am nächsten Morgen ließ Josua sie wieder aufbrechen: Die Priester trugen die Bundeslade, 13 sieben von ihnen gingen vor der Bundeslade her und bliesen immerzu die Hörner, eine Gruppe von Soldaten marschierte voraus, und alle übrigen folgten. 14 Wie am Vortag zogen die Israeliten einmal um Jericho herum und kehrten dann in ihr Lager zurück. Das taten sie insgesamt sechs Tage lang.

15 Am siebten Tag brachen sie bereits bei Sonnenaufgang auf und zogen wie zuvor um die Stadt herum, an diesem Tag jedoch siebenmal. 16 Beim siebten Mal, als die Priester die Hörner bliesen, rief Josua seinen Männern zu: »Schreit, so laut ihr könnt! Der Herr gibt euch Jericho! 17 Die ganze Stadt ist dem Untergang geweiht. Darum löscht alles aus, was ihr darin findet! Nur die Prostituierte Rahab soll am Leben bleiben und jeder, der bei ihr im Haus ist, denn sie hat unsere Kundschafter versteckt. ...

20 Die Priester bliesen ihre Hörner, und die Soldaten stimmten das Kriegsgeschrei an. Da stürzte die Mauer von Jericho ein. Die Israeliten stürmten die Stadt von allen Seiten und eroberten sie. 21 Mit ihren Schwertern vernichteten sie alles Leben darin: Männer und Frauen, Kinder und Greise, Rinder, Schafe und Esel.

22 Den beiden jungen Männern, die Jericho erkundet hatten, befahl Josua: »Geht zum Haus der Prostituierten und holt sie und ihre Angehörigen heraus, wie ihr es geschworen habt!« 23 Die beiden liefen zu Rahabs Haus, brachten sie zusammen mit ihren Eltern, Geschwistern und allen Verwandten aus der Stadt und führten sie an einen Ort außerhalb des israelitischen Lagers.

24 Schließlich steckte man Jericho in Brand. Nur das Silber, das Gold und die bronzenen und eisernen Gegenstände nahmen die Israeliten mit und brachten sie in die Schatzkammer des heiligen Zeltes. 25 Von den Einwohnern der Stadt ließ Josua niemanden am Leben außer der Prostituierten Rahab, der Familie ihres Vaters und ihren anderen Verwandten. Denn sie hatte die israelitischen Kundschafter versteckt, die Josua nach Jericho gesandt hatte. Noch heute lebt sie in Israel.



Posaunen

rotes Seil

Die Eroberung Jerichos gestaltete sich sodann ungewöhnlich. Eigentlich hätte man mit einer langen Belagerung rechnen müssen, denn die Leute von Jericho widersetzten sich den Israeliten und ihrem Gott und verbarrikadierten sich. Sie hatten zwar grosse Angst vor beiden, wollten aber keinesfalls Hand bieten zu Friedensverhandlungen. Gott ordnete eine siebentägige Prozession an. Die Israeliten umrundeten die Stadt, die Priester trompeteten und trugen die Bundeslade mit. So proklamierten sie feierlich, dass Gott mit ihnen war und beanspruchten den Sieg. Einige hätten wohl einwenden können, man mache sich lächerlich mit diesem wiederholten Leerlauf in voller Rüstung. Doch alle befolgten die Anweisung Josuas und übten Geduld, auch wenn tagelang nicht weiteres geschah. Sie glaubten, dass Gott auch dadurch wirken könne. „Durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos“, kommentiert Hebräer 11,30. Und wirklich: am siebten Tag ereignete sich ein lokales Erdbeben, das die Stadtbefestigung zum Einsturz brachte. Die Stadt wurde schnell eingenommen und angezündet, ihre Bewohner getötet, Edelmetalle erbeutet. Rahab und ihre Angehörigen wurden verschont.

Ordinierter evangelisch-reformierter Pfarrer.

Martin Müller

Ordinierter evangelisch-reformierter Pfarrer.

Back to Blog