Jesus bei Zachäus
Lukas 19,1-10
1 Jesus zog mit seinen Jüngern durch Jericho. 2 Dort lebte ein sehr reicher Mann namens Zachäus, der oberste Zolleinnehmer. 3 Zachäus wollte Jesus unbedingt sehen; aber er war sehr klein, und die Menschenmenge machte ihm keinen Platz. 4 Da rannte er ein Stück voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum, der am Weg stand. Von hier aus hoffte er, einen Blick auf Jesus werfen zu können. 5 Als Jesus dort vorbeikam, schaute er hinauf und rief: »Zachäus, komm schnell herunter! Ich soll heute dein Gast sein!« 6 Eilig stieg Zachäus vom Baum herunter und nahm Jesus voller Freude mit in sein Haus.
7 Als die Leute das sahen, empörten sie sich über Jesus: »Wie kann er das nur tun? Er lädt sich bei einem Gauner und Betrüger ein!«
8 Zachäus aber wandte sich an Jesus und sagte: »Herr, ich werde die Hälfte meines Vermögens an die Armen verteilen, und wem ich am Zoll zu viel abgenommen habe, dem gebe ich es vierfach zurück.« 9 Da entgegnete ihm Jesus: »Heute hat Gott dir und allen, die in deinem Haus leben, Rettung gebracht. Denn auch du bist ein Nachkomme von Abraham. 10 Der Menschensohn ist gekommen, Verlorene zu suchen und zu retten.«
Die auf dieser Webseite verwendeten Bibeltexte sind zitiert aus der Bibelübersetzung "Hoffnung für alle", © 2015 Biblica, Inc. Alle Rechte vorbehalten.
Jericho, die Oasenstadt im wüstenhaften Jordangraben, war eine wichtige Zwischenstation der Handelsstrasse nach Arabien und wegen ihres milden Klimas Winterresidenzstadt von König Herodes. Ein idealer Ort für das Besteuerungswesen: üppige Karawanenzölle und Einwohnerabgaben fielen an. Die Römer als Eroberer Israels verkauften das Zoll- und Steuerrecht pro Gebiet jeweils dem Meistbietenden. Mit der Rückendeckung des römischen Militärs erhoben die Zöllner dann die regulären Tarife und oft auch noch mehr, so dass sie viel mehr einnahmen als sie vorgestreckt hatten. Zachäus hatte sich emporgearbeitet und besass als Oberzöllner so viel Geld, dass er ganz Jericho als Pfründe pachten konnte, Teile davon verpachtete er dann an andere Zöllner weiter. Er war klein. Revanchierte er sich für erfahrene Ablehnung, indem er gegen seine Landsleute mit der Besatzungsmacht kollaborierte? Die Leute machten ihm keinen Platz (V. 3) - er war unbeliebt, er galt als ein Verräter und Erpresser.
Trotzdem hätte Zachäus es sich im Palmengarten seiner Villa sehr gut gehen lassen können. Aber der ganze Wohlstand liess ihn irgendwie unbefriedigt. Über Jesus dürfte er gehört haben, dieser predige eine aufsehenerregende Botschaft von Gottes Barmherzigkeit, er heile viele Kranke und sei ein „Freund der Zöllner und Sünder“ (Matthäus 11,19). Waren es spirituelle Bedürfnisse, die Zachäus auf die Strasse trieben (die Pharisäer liessen keine Zöllner in die Synagogen) oder Bedürfnisse nach Annahme und Freundschaft? Jedenfalls überwand Zachäus Hindernisse, weil er unbedingt sehen wollte, „was Jesus für einer sei“ (wörtlich V. 3).
Oben aus dem Blätterwerk eines Maulbeerfeigenbaums an der Strasse wollte Zachäus den vorbeigehenden Jesus beobachten. Es bleibt aber nicht dabei: Jesus wurde vorinformiert, der Halsabschneider sitze da oben, und das hält ihn nicht davon ab, mit ihm Blickkontakt aufzunehmen und zu erklären, kraft eines höheren Auftrags müsse („soll“ V. 5) er heute zu ihm auf Besuch kommen. Das Informationsbedürfnis wird verwandelt in eine Begegnung (ebenso können sich auch sachorientierte Bibellesende plötzlich von Gott angesprochen sehen: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, zu mir darfst du gehören“, Jesaja 43,1). Voller Freude folgte Zachäus umgehend der Einladung, schnell vom Baum herunterzukommen, und empfing Jesus in seinem Anwesen, wahrscheinlich zu einem prächtigen Diner. Dies aber unter dem Protest der Leute: „Ausgerechnet bei diesem Gauner und Betrüger kehrt Jesus ein!“ Bei anderer Gelegenheit hatte Jesus dem entgegengehalten: „Die Gesunden brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, um Sünder in die Gemeinschaft mit Gott zu rufen, und nicht solche, die sich sowieso für gut genug halten.“ (Markus 2,17)
Zachäus muss es als ein besonderes Geschenk empfunden haben, dass Jesus gerade mit ihm beisammen sein will. „Jesus vertraut sich mir an, obwohl ich am Laufmeter Leute betrogen habe“. Zachäus spürt daraus Annahme, Vergebug und Liebe. Was mag beim Essen weiter geschehen sein? Vielleicht hat Jesus mit Zachäus darüber gesprochen, wie das Leben als Zöllner ist. Wie er dazu gekommen ist. Warum Geld für ihn wichtig ist. Dass Geld auch eine Versuchung und eine Sucht sein kann. Dass es noch anderes gibt, das im Leben wichtig ist… Als Reaktion auf alles, was Jesus zu Zachäus sagte, wie er es sagte und was von Jesus ausging, muss es Zachäus ganz warm geworden sein ums Herz. Er erhebt sich, klopft gleichsam ans Glas und verkündet: „Ich halbiere mein Vermögen und verteile 50% an die Armen und alle Übervorteilten erhalten vierfache Rückerstattung“.
Auf einmal sind Geld und Besitz nicht mehr so wichtig. Das nehmen Wollen wandelt sich in geben Können. Zachäus ist innerlich verändert. Er spricht Jesus als „Kyrios“ an, als Herrn, wie auch Gott als der höchste Herr bezeichnet wird. Spürt er, dass ihm in Jesus Gott begegnet und dass auch er bei Gott geliebt und angenommen ist? Ist das der Gewinn, der über finanziellem Gewinn steht? Jesus versichert ihm, dass er samt seinen Angehörigen Rettung erfahren hat. Er war verloren und hat wieder Heimat gefunden in Gottes Familie und unsichtbarem kommenden Reich. Das geschah durch sein Zutrauen zu Jesus. Jesus nennt Zachäus einen „Nachkommen Abrahams“. Ebenso wie Abraham wurde er nicht aufgrund von Tugend oder Leistungen sondern wegen seines Vertrauens von Gott angenommen: „Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an“ d.h. „so fand er Gottes Anerkennung und Annahme“ (1. Mose 15,6).