Der leidende Diener Gottes

Der leidende Diener Gottes

February 04, 20256 min read

Jesaja 52,13 - 53,12

52,13 So spricht der Herr: »Mein Diener wird seine Aufgabe erfüllen. Er wird eine überragende Stellung erlangen und hoch geehrt sein. 14 Viele waren entsetzt, als sie ihn sahen. Denn in der Tat: Er war völlig entstellt und kaum mehr als Mensch zu erkennen. 15 Dann aber werden viele Völker über ihn staunen,sprachlos werden die Könige dastehen. Denn vor ihren Augen geschieht etwas, wovon sie noch nie gehört haben, und sie begreifen plötzlich, was ihnen bisher unbekannt war!«

53,1 Doch wer glaubt schon unserer Botschaft? Wer erkennt, dass der Herr es ist, der diese mächtigen Taten vollbringt? 2 Gott ließ seinen Diener emporwachsen wie einen jungen Trieb aus trockenem Boden. Er war weder stattlich noch schön. Nein, wir fanden ihn unansehnlich, er gefiel uns nicht! 3 Er wurde verachtet, von allen gemieden. Von Krankheit und Schmerzen war er gezeichnet. Man konnte seinen Anblick kaum ertragen. Wir wollten nichts von ihm wissen, ja, wir haben ihn sogar verachtet.

4 Dabei war es unsere Krankheit, die er auf sich nahm; er erlitt die Schmerzen, die wir hätten ertragen müssen. Wir aber dachten, diese Leiden seien Gottes gerechte Strafe für ihn. Wir glaubten, dass Gott ihn schlug und leiden ließ, weil er es verdient hatte. 5 Doch er wurde blutig geschlagen, weil wir Gott die Treue gebrochen hatten; wegen unserer Sünden wurde er durchbohrt. Er wurde für uns bestraft – und wir? Wir haben nun Frieden mit Gott! Durch seine Wunden sind wir geheilt. 6 Wir alle irrten umher wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder ging seinen eigenen Weg. Der Herr aber lud alle unsere Schuld auf ihn.

7 Er wurde misshandelt, aber er duldete es ohne ein Wort. Er war stumm wie ein Lamm, das man zur Schlachtung führt. Und wie ein Schaf, das sich nicht wehrt, wenn es geschoren wird, hat er alles widerspruchslos ertragen. Man hörte von ihm keine Klage. 8 Er wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und grausam hingerichtet. Niemand glaubte, dass er noch eine Zukunft haben würde. Man hat sein Leben auf dieser Erde ausgelöscht. Wegen der Sünden meines Volkes wurde er zu Tode gequält! 9 Man begrub ihn bei Gottlosen, im Grab eines reichen Mannes, obwohl er sein Leben lang kein Unrecht getan hatte. Nie kam ein betrügerisches Wort über seine Lippen.

10 Doch es war der Wille des Herrn: Er musste leiden und blutig geschlagen werden. Wenn er mit seinem Leben für die Schuld der anderen bezahlt hat, wird er Nachkommen haben. Er wird weiterleben und den Plan des Herrn ausführen. 11 Wenn er dieses schwere Leid durchgestanden hat, sieht er wieder das Lichtund wird für sein Leiden belohnt. Der Herr sagt: »Mein Diener kennt meinen Willen, er ist schuldlos und gerecht. Aber er lässt sich für die Sünden vieler bestrafen, um sie von ihrer Schuld zu befreien. 12 Deshalb gebe ich ihm die Ehre, die sonst nur mächtige Herrscher erhalten. Mit seinen starken Kämpfern wird er sich die Beute teilen. So wird er belohnt, weil er den Tod auf sich nahm und wie ein Verbrecher behandelt wurde. Er hat viele von ihren Sünden erlöst und für die Schuldigen gebetet.«

Die auf dieser Webseite verwendeten Bibeltexte sind zitiert aus der Bibelübersetzung "Hoffnung für alle", © 2015 Biblica, Inc. Alle Rechte vorbehalten.



Bethlehem

Zur Zeit der späteren Könige von Juda und unter der Bedrohung durch die Assyrer wirkte Jesaja als Prophet. Er sah das babylonische Exil der Juden voraus und ihre Heimkehr unter dem Perserkönig Kyros. Ausserdem sprach er wiederholt von einer besondern Gestalt: einem „Friedefürsten“ als spätem Thronfolger Davids etwa (9,1-6: „ein Kind ist uns geboren“), einem Diener Gottes, der bescheiden und behutsam auf der ganzen Erde für Gerechtigkeit sorgen werde (42,1-7). Auch im 53. Kapitel kommt Jesaja wieder auf ihn zu sprechen: dieser Diener Gottes erlebt grosse Erniedrigung, aber nachher steigt er wieder in seine hohe Stellung auf (52,13: „er wird hoch geehrt sein“, 53,12: er erhält Ehre wie mächtige Herrscher).

Kreuztragungdurchbohrt

Während etwa die Prophezeiungen in Jesaja 9 problemlos ins Bild des von den Juden erwarteten sieghaften Messias passen, wird dieses bei den anderen Stellen kontrastiert mit Aspekten, auf die beim Gedanken an einen Gesandten Gottes niemand gekommen wäre. Jesaja bezeugt, dass sich der Kommende grossem Leiden aussetzen wird: „Er wurde blutig geschlagen und durchbohrt“ (53,5) und „misshandelt“ (V. 7). Seine Entstellung löste Entsetzen aus (52,14), so dass er niemandem gefiel (53,2). Er war „von Krankheit und Schmerzen gezeichnet, er wurde verachtet und von den Menschen verlassen“ (V. 3). Er wurde „wie ein Verbrecher behandelt“ (V. 12) und „zu Tode verurteilt und hingerichtet“ (V. 8). Danach wurde er „in der Grabkammer eines reichen Mannes beigesetzt“ (V. 9). Schliesslich aber „wird er Nachkommen haben. Er wird weiterleben und den Plan des Herrn ausführen“ (V. 10).

Felsengrab

Jesus hat Jesaja 53,12 in Lukas 22,37 auf sich bezogen: „..Alles, was in der Heiligen Schrift von mir geschrieben steht, geht nun in Erfüllung“. Und tatsächlich treffen alle Aspekte des leidenden Dieners Gottes auf ihn zu. Etwa, dass man Jesus am Kreuz „durchbohrte“, verachtete und verspottete und dass er von den Jüngern verlassen wurde (Jesaja 53,12). Matthäus 27,57-60 berichtet auch, dass der vornehme Joseph von Arimathäa den toten Jesus in sein Felsengrab legte. Dabei blieb es nicht: Jesus ist auferstanden - auch das sieht Jesaja voraus.

Fusswaschung

Das Leiden des Dieners Gottes war kein sinnloser Zufall. Jesaja schildert wiederholt dessen Bedeutung als stellvertretende Sühne für die Sünden der Menschen. Das ist etwas noch nie Dagewesenes, Grund zu grossem Staunen (52,15). „Wegen der Sünden meines Volkes wurde er zu Tode gequält! (53,8) Der Herr lud alle unsere Schuld auf ihn. (V. 6) Es war unsere Krankheit, die er auf sich nahm; er erlitt die Schmerzen, die wir hätten ertragen müssen. (V. 4) Er wurde blutig geschlagen, weil wir Gott die Treue gebrochen hatten; wegen unserer Sünden wurde er durchbohrt. Er wurde für uns bestraft – und wir? Wir haben nun Frieden mit Gott! Durch seine Wunden sind wir geheilt. (V. 5) Er.. hat mit seinem Leben für die Schuld der anderen bezahlt..“ (V. 10).

In Römer 5,1f freut sich Paulus über den so bewirkten Frieden mit Gott: „Nachdem wir durch den Glauben von unserer Schuld freigesprochen sind, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus. Er hat uns die Tür zu diesem neuen Leben geöffnet. Im Vertrauen haben wir dieses Geschenk angenommen, auf das wir uns jetzt gründen. Und mehr noch: Wir werden einmal an Gottes Herrlichkeit teilhaben.“

Damit ist eine zentrale christliche theologische Gegebenheit definiert. Luther und Calvin sprachen vom „seligen Tausch“, bei dem Jesus die Sünde der Glaubenden auf sich nimmt und ihnen im Gegenzug seine Gerechtigkeit (das Angenommensein bei Gott) schenkt. Entsprechend schreibt auch Paulus in 2. Korinther 5,21: "Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, <Jesus>, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden."

Philipper 2

In Philipper 2,6-11 schreibt Paulus weiter: „Obwohl Christus in jeder Hinsicht Gott gleich war, hielt er nicht selbstsüchtig daran fest, wie Gott zu sein. Nein, er verzichtete darauf und wurde einem Sklaven gleich: Er wurde wie jeder andere Mensch geboren und war in allem ein Mensch wie wir. Er erniedrigte sich selbst noch tiefer und war Gott gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum schändlichen Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott erhöht und ihm den Namen gegeben, der über allen Namen steht. Vor Jesus müssen einmal alle auf die Knie fallen: alle im Himmel, auf der Erde und im Totenreich. Und jeder wird .. bekennen: Jesus Christus ist der Herr!“

Diese Verse heben sich vom Zusammenhang des Paulusbriefes ab. Wahrscheinlich zitiert Paulus hier ein Glaubenslied oder -Bekenntnis, das schon vor ihm unter den ersten Christen z.B. in ihren Gottesdiensten verwendet wurde. Das zeigt, dass diese von Beginn an verstanden hatten, worum es Jesus ging, und sich wohl auch auf den Abschnitt bei Jesaja bezogen.

Ordinierter evangelisch-reformierter Pfarrer.

Martin Müller

Ordinierter evangelisch-reformierter Pfarrer.

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